
Amazon in Zeiten der Corona-Krise: Wie Marken jetzt reagieren sollten

Wie der Online-Gigant Amazon auf das veränderte Such- und Kaufverhalten der Konsumenten durch die Corona-Krise reagiert und wie sich Markenhersteller den dynamischen Marktbedingungen anpassen können. Emil Beck, Geschäftsführer von Remazing, analysiert den Status quo und gibt Handlungsempfehlungen.
Es ist für uns alle gerade eine herausfordernde Zeit: Die Meldungen über das neue Coronavirus überschlagen sich Tag für Tag. Was heute gilt, kann morgen wieder hinfällig sein. Dies gilt auch für die Wirtschaft und den Online-Handel. In diesem Kontext verzeichnet Amazon ein stark verändertes Such- und Kaufverhalten der Konsumenten und hat auf diese Entwicklung mit drastischen Maßnahmen reagiert.
Chronologischer Verlauf: Die Suchbegriffe verraten, dass etwas nicht stimmt
Die derzeit am häufigsten eingegebenen Suchbegriffe auf Amazon in Deutschland verdeutlichen, wie weitgehend und in welche Richtung sich Nachfrage und Kaufverhalten von Amazon-Usern verändert haben. In Q4 2019 gab es in den Suchanfragen mit “Adventskalender” als häufigsten Suchbegriff noch nichts Außergewöhnliches zu erkennen (siehe Grafik). Wirft man einen Blick auf die Anfragen im Januar 2020 fällt bereits auf, dass am zweithäufigsten nach “Mundschutz” gesucht wird. Ein Jahr zuvor, im Januar 2019, war dieser noch auf Rang 2.132 aller Suchanfragen. Der Trend setzt sich im Februar 2020 durch die sich verschärfende Corona-Krise fort. Normalerweise dominieren im Februar eher Suchanfragen nach Faschingsartikel, doch dieses Jahr sind “Desinfektionsmittel”, “Mundschutz” und “Atemschutzmaske” die populärsten Suchbegriffe deutscher Amazon-Nutzer. Die neuesten Zahlen von Anfang bis Mitte März (08.03.-14.03) zeigen, dass mittlerweile “Toilettenpapier” zum meistgesuchten Begriff vorgerückt ist. Schaut man sich die Top-5-Suchbegriffe ab Februar an, stellt man fest, dass sich alle Begriffe eindeutig der Corona-Krise zurechnen lassen.
Die beispiellose Veränderung des Suchverhaltens offenbart, dass sich derzeit eine Verschiebung der Nachfrage zu bestimmten Produktgruppen auf Amazon vollzieht. Insbesondere Markenhersteller aus dem FMCG-Bereich (Fast Moving Consumer Goods), speziell Drogerieartikel und Lebensmittel, profitieren davon besonders stark.
Wie reagiert Amazon auf die Corona-Krise?
1. Amazon plant mehr als 100.000 neue Mitarbeiter einzustellen
Zu Amazons wichtigsten Erfolgsfaktoren gehört es, genügend Produkte auf Lager zu haben und diese in der gewohnten “Prime”-Geschwindigkeit zu liefern. Gerade diese Convenience hebt Amazon vom restlichen Onlinehandel ab. Die schlagartig gestiegene Nachfrage im Zuge der Corona-Krise hat dazu geführt, dass dieses Versprechen im US-amerikanischen Heimatmarkt nicht mehr eingelöst werden konnte. Deswegen hat Amazon angekündigt allein in den USA mehr als 100.000 neue Voll- und Teilzeitstellen in Lager und Logistik zu besetzen. Zum Vergleich: Dies entspricht der Stammbelegschaft von Google und ungefähr so viele Mitarbeiter hat die Deutsche Telekom in Deutschland. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Amazon plant, auch auf dem europäischen Markt seine Belegschaft zeitnah zu vergrößern.
2. Amazon schränkt bestimmte Warenlieferungen in den USA und Europa ein
Um Lieferengpässe bei bestimmten Produkten zu vermeiden, hat sich Amazon kürzlich zu einem drastischen Schritt entschieden. Egal ob FBA-Seller oder Vendor: Am 17. März wurde verkündet, dass vorläufig bis zum 5. April 2020 nur noch bestimmte Produktgruppen in die eigenen Lager kommen dürfen. Dies betrifft sowohl die USA als auch Europa. Übereinstimmend mit den Ergebnissen der obigen Suchbegriff-Analyse kommen die meisten der weiterhin akzeptierten Produkte aus den nachfolgenden Amazon-Kategorien:
- Baby
- Haustier
- Lebensmittel & Getränke
- Beauty
- Drogerie & Körperpflege
- Gewerbe, Industrie & Wissenschaft
3. Amazon stärkt während der Krisenzeit die eigene Marke
Amazon scheint sich in Zeiten der Corona-Krise vorgenommen zu haben, für die Konsumenten noch unverzichtbarer zu werden. Die beiden bisher genannten Maßnahmen, die massive Mitarbeitereinstellung und die Beschränkung der Warenlieferungen sollen gewährleisten, dass die populärsten Produkte verfügbar und schnell beim Kunden sind. Insbesondere jetzt, wo die Menschen darauf angewiesen sind. Wenn Amazon – im wahrsten Sinne des Wortes – liefert, dürfte der Online-Riese mittel- bis langfristig einen enormen Vertrauensgewinn bei neuen und alten Kundengruppen verzeichnen.Zu weiteren vertrauensbildenden Maßnahmen gehören beispielsweise, dass Amazon derzeit bei Suchanfragen wie “Coronavirus” und “Atemschutzmaske” prominent auf das Robert-Koch-Institut verlinkt und dass Amazon gleichzeitig mit den 100.000 neu zu besetzenden Stellen angekündigt hat, die Stundenlöhne der Lager- und Logistikmitarbeiter um 2 $ in den USA und ca. 2 € in Europa zu erhöhen.
Was Remazing Markenherstellern in dieser kritischen Phase empfiehlt
Derzeit sind viele Markenhersteller unsicher, wie sie ihre Amazon-Strategie angesichts der komplexen Situation anpassen und auf welche Maßnahmen sie ihren Fokus legen sollten.
Folgende Handlungsempfehlungen können dabei helfen:

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1. Analyse des Produktportfolios
Dies stellt die Grundlage für die weiteren Maßnahmen dar. Markenhersteller sollten ihr Produktportfolio hinsichtlich Nachfrage- und Lieferaspekten beleuchten. Fragen, die hier als Orientierung dienen, sind:
- Gehören unsere Produkte zu den bevorzugten Amazon-Kategorien (siehe oben)?
- Welche unserer Produkte liefern eine besonders gute “Antwort” auf die stark nachgefragten Suchbegriffe?
- Welche anderen Produkte neben FMCG eignen sich gut für die Nutzung zuhause und werden deshalb in nächster Zeit stärker nachgefragt sein?
- Können wir die Produktion und Lieferkette unserer Produkte kurz- und mittelfristig gewährleisten?
Ziel der Analyse sollte es sein, die Produkte in unterschiedliche Portfolios zu unterteilen (z. B. “Winners”, “Question Marks”, “Losers”). Der Hauptfokus sollte dann fortlaufend auf dem Produktportfolio liegen, das die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Hat ein Vendor oder FBA-Seller Produkte im Sortiment, die unter der Einschränkung der Warenlieferungen von Amazon fallen, können sie eine kurzfristige Realisierbarkeit des FBM-Modells oder von Drop-Shipping evaluieren, wenn sie über eine eigene Logistik-Kompetenz verfügen.
2. Regelmäßiges Keyword-Monitoring
Mithilfe der Amazon-Tools (ARA Premium bzw. Amazon Brand Analytics) sollten Markenhersteller mindestens wöchentlich die relevantesten Suchbegriffe verfolgen, um auf die neuesten Entwicklungen reagieren zu können.
3. Optimierung des Contents
Der Content, insbesondere Produkttitel, A+ Content und Search Terms, sollte basierend auf den Erkenntnissen des Keyword-Monitorings fortlaufend angepasst werden.
4. Anpassung der Werbebudgets
Die Werbebudgets sollten nach dem Potenzial der Produktportfolios ausgerichtet werden. Das heißt, dass Budgets für vielversprechende Produkte eher erhöht, während Kampagnen für Produkte aus weniger nachgefragten Kategorien reduziert werden sollten. Es ist wichtig, dass Markenhersteller auf Produktebene die Margen akribisch im Blick behalten, da die Klickpreise derzeit stark schwanken können.
5. Interaktion mit Konsumenten
Markenhersteller sollten versuchen, möglichst alle aufkommenden Fragen der Konsumenten professionell zu beantworten und auf Bewertungen zu reagieren, um das Kundenvertrauen gerade in dieser gesellschaftlich brisanten Phase zu stärken.
Fazit
Das Such- und Kaufverhalten auf Amazon hat sich im Laufe der Corona-Krise verändert und derzeit zunehmend in den FMCG-Bereich verlagert. Amazon scheint schnell erkannt zu haben, welche Risiken und Chancen in dieser Krise liegen und hat weitreichende Maßnahmen getroffen, die langfristig das Vertrauen in die Marke “Amazon” noch weiter stärken können.
Die FMCG-Branche hat in Deutschland von allen Branchen den geringsten Online-Anteil am Gesamtmarkt (laut HDE-Online-Monitor 2019: 2,2%). Bei den derzeitigen Entwicklungen spricht vieles dafür, dass Amazon signifikante Marktanteile im FMCG-Bereich gewinnen wird.
Markenhersteller haben die Herausforderung, die Marktentwicklung kontinuierlich zu beobachten und die eigene Amazon-Strategie konstant zu hinterfragen. Unternehmen, die in turbulenten Zeiten wie diesen, ähnlich dynamisch, vorausschauend und entscheidungsfreudig wie Amazon agieren, könnten am Ende gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei W&V.
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