
Der Brexit und die neue Realität für Vendoren & Seller auf Amazon

Der Brexit war für Amazon-Händler ein regulatorisches Minenfeld. Auch Monate nach dem formellen Austritt aus der EU bringt die neue Handelsbeziehung logistische Herausforderungen mit sich, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Großbritannien.
Überblick: Brexit & Amazon
Mit dem Austritt von Großbritannien aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion wurden zwei neue regulatorische Ökosysteme geschaffen, wo es vorher nur eines gab. Jetzt müssen Zollvorschriften eingehalten und Formulare ausgefüllt werden, wenn Waren zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU transportiert werden. So wird die Einhaltung der Vorschriften auf die Einzelhändler übertragen.
Vendoren und Seller sollten Maßnahmen ergreifen, um die Anforderungen von
- der Regulierungszone, in die sie verkaufen, und
- Amazons eigenen gesetzlichen Standards
zu erfüllen.
Vor allem der letzte Punkt steht im Mittelpunkt dieses Artikels. Die neuen Anforderungen von Amazon haben sich auf eine Reihe von wichtigen Bereichen ausgewirkt, darunter:
- Mehrwertsteuer und Zollgebühren
- Produktkonformität und Etikettierung
- Verwaltung der Bestände
- Dokumentation und Verzögerungen

Bereiche, in denen sich das Amazon Business durch den Brexit verändern kann
Während es früher nur relativ wenige Hindernisse für den Handel zwischen Großbritannien und anderen EU-Mitgliedstaaten gab, gibt es jetzt eine Reihe potenzieller Pain Points zu beachten:
1. Mehrwertsteuer und Zollgebühren

Was ist das Problem?
Die Auswirkungen des Brexit bedeuten, dass zusätzliche Kosten anfallen können, um die neuen Vorschriften einzuhalten, z. B. Zollgebühren oder Beratungsgebühren. Diese neuen Mehrwertsteuervorschriften zwingen die Händler dazu, ihre eigenen Kosten und ihre Rentabilität neu zu bewerten.
Was hat sich geändert?
Aus steuerlicher Sicht wurden mit dem Ende des Übergangszeitraums in Großbritannien Rechtsvorschriften eingeführt, die zu zwei wichtigen Entwicklungen geführt haben:
- Verkäufe aus UK an EU-Kund*innen werden nun als “Exporte” betrachtet und unterliegen in Großbritannien der Mehrwertsteuer zum Nullsatz.
- Amazon (und andere E-Commerce-Marktplätze) sind nun für die Erhebung und Abführung der britischen Mehrwertsteuer auf Lieferungen nach UK verantwortlich, wenn: (i) der Wert 135£ nicht übersteigt und (ii) der Verkäufer kein britisches Unternehmen ist.
Dies wird für Unternehmen, die auf Amazon B2C verkaufen, ein großes Problem darstellen. Während es bisher Mehrwertsteuerbefreiungen für Verkäufe unter 15£ und für Produkte gab, die in Großbritannien für einen Verkäufer mit Sitz außerhalb des Marktes gelagert wurden, wird Amazon nun die Mehrwertsteuer auch auf diese Verkäufe erheben. In der EU ansässige Amazon-Verkäufer, die weiter in UK verkaufen wollen, müssen sich darauf einstellen, dass es immer weniger Strategien gibt, um die Zahlung der britischen Mehrwertsteuer zu minimieren.
Was kann man tun?
Was kurzfristige Lösungen angeht, so hat Amazon bereits erste Ratschläge geteilt:
Für Vendoren
Amazon legt großen Wert darauf, dass sich die Händler zunächst in den Gebieten, in denen es erforderlich ist, für die Mehrwertsteuer registrieren lassen (wir empfehlen, dazu eine*n Steuerberater*in zu konsultieren, es gibt aber auch Informationen auf gov.uk für Großbritannien oder auf der Website der jeweiligen lokalen Regierung). Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern sollten so bald wie möglich bei Amazon hochgeladen werden, damit Amazon die Rechnungen der Vendoren umgehend bearbeiten kann.
Für Seller
Der Prozess bleibt ähnlich, aber Amazon hat auch seine eigenen Dienstleistungen gegen eine Gebühr (bezeichnet als “VAT Services on Amazon”) für Unternehmen angeboten, die ihre Mehrwertsteuerabwicklung an Amazon und ihre bevorzugten Steuerdienstleistenden auslagern möchten.
In Anbetracht der größeren Herausforderungen, die mit der Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Zollabfertigung und anderen Markthindernissen verbunden sind, empfiehlt Amazon sowohl Vendoren als auch Sellern, mit einem Zollmakler zusammenzuarbeiten – einer Agentur oder Einrichtung, die im Namen der Verkäufer Verhandlungen über Zollerklärungen und grenzüberschreitenden Versand führen kann.
2. Produktkonformität und Etikettierung

Was ist das Problem?
Das Entstehen zweier getrennter geregelter Märkte hat zu einem zweiten Problem geführt: Händler müssen nun sicherstellen, dass ihre Waren den Etikettierungsstandards entsprechen und für den Markt, auf dem sie verkauft werden sollen, angemessen geregelt sind. Die bisherigen Kennzeichnungsvorschriften sind zwar nicht direkt überholt, doch werden in Kürze neue Vorschriften eingeführt, um die Anforderungen in UK sicherzustellen.
Was hat sich geändert?
Vor dem Brexit hat die CE-Kennzeichnung besagt, dass ein im Europäischen Wirtschaftsraum verkauftes Produkt bestimmte Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltstandards erfüllt. Nach dem Brexit hat Großbritannien seine eigene UKCA-Kennzeichnung eingeführt. Trotzdem streben viele britische Unternehmen weiterhin die CE-Kennzeichnung an, um ihre Produkte auf Marktplätzen in der EU anbieten zu können.
Die zweite Herausforderung für Unternehmen besteht darin, sicherzustellen, dass die bei Amazon gelisteten Produkte den neuen Schutzstandards entsprechen. Für in UK ansässige Unternehmen müssen die CE-gekennzeichneten Produkte nun auf dem Etikett eine Kontaktperson (“Responsible Person”) und deren Adresse in der EU ausweisen. Wenn diese Anforderung nicht erfüllt ist und keine verantwortliche Person für alle künftigen Fragen der Produktkonformität benannt ist, besteht die Gefahr, dass Amazon ASINs wegen Nichtkonformität aus dem Listing nimmt.
Was kann man tun?
Für britische Unternehmen, die eine europäische Marktpräsenz in CE-pflichtigen Märkten aufrechterhalten wollen, ist die Notwendigkeit, eine verantwortliche Person innerhalb der EU zu haben, von großer Bedeutung. Um diesbezügliche Bedenken zu zerstreuen, hat Amazon ein Responsible Person Hub eingerichtet. Darin wird erläutert, was die genauen Anforderungen an eine verantwortliche Person sind und wo diese auf den Amazon Seller-Plattformen registriert werden sollte. Einige Möglichkeiten, wer als “Responsible Person” ernannt werden kann, sind:
- Eine in der EU ansässige Tochtergesellschaft oder ein EU-Importeur
- Das Testlabor oder Zertifizierungsunternehmen, das für die Produkte eines Sellers verwendet wird
- 3P-Partner innerhalb des Seller-Netzwerks von Amazon
- Amazon selbst – über seinen eigenen FBA-Service für verantwortliche Personen
Während der britische Markt anfängt, seine eigenen Standards und Kennzeichnungen zu etablieren, ist die wichtigste Empfehlung von Amazon, dass Händler alle Produkte doppelt kennzeichnen (“dual labelling”), um so viele Kund*innen wie möglich zu erreichen.
In Bezug auf die CE-Kennzeichnung in Großbritannien: Bis zum 31. Dezember 2020 wurden Produkte mit einer CE-Kennzeichnung in den UKCA-Standard übernommen und benötigen keine separate Kennzeichnung. Ab diesem Zeitpunkt sind UKCA-Kennzeichnungen für bestimmte Produktkategorien in Großbritannien erforderlich. Amazon rät daher, dass Produktverpackungen sowohl die UK- als auch die EU-Kennzeichnung enthalten sollten – und Konformitätskennzeichnungen, wenn dies erforderlich ist.

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3. Verwaltung der Bestände

Was ist das Problem?
Die Lagerverwaltungssysteme müssen möglicherweise durch den Brexit neu konfiguriert werden, da die Bestände in Großbritannien und in der EU in vielen Branchen nicht mehr als austauschbar gelten. Die neuen Lagerungsbeschränkungen in der EU und in UK stellen die Händler vor erhebliche Herausforderungen bei der Bestandsverwaltung.
Was hat sich geändert?
Da der Brexit den grenzüberschreitenden Versand verändert hat, hat Amazon sein European Fulfilment Network (EFN) und sein paneuropäisches FBA-Programm eingestellt. Dadurch ist es schwieriger geworden, Waren aus dem Vereinigten Königreich in Europa zu verkaufen und umgekehrt. Dementsprechend gibt es für viele Seller auf Amazon erhebliche logistische und lagertechnische Einschränkungen, da der Lagerplatz in britischen Lagern sehr knapp ist. Amazon hat seine Lagerkapazitäten erheblich reduziert, was dazu führt, dass Seller gezwungen sind, ihre überschüssigen Bestände zu verkaufen oder zurückzurufen. Dies hat für viele Unternehmen erhebliche Auswirkungen auf die langfristige Kaufprognose.
Was kann man tun?
Für Unternehmen, die EU-Bestände nicht mehr in Großbritannien lagern können und umgekehrt, hat Amazon im pazifischen Nordwesten eine Lösung vorgeschlagen: “Dual Inbound”-Produkte. Das bedeutet, dass der Bestand an getrennte Fulfillment Center in der EU und in UK geschickt werden kann. Für Seller kann Amazon sogar eine Empfehlung dazu geben, welche Produkte auf Grundlage der künftigen FBA-Nachfrage nach Großbritannien und in die EU versandt werden sollten.
Seller und Vendoren sollten eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, um einen nahtlosen Übergang zu zwei Bestandspools zu gewährleisten:
- Herkunftsland- und HS-Code-Informationen für jedes Produkt: Die Angabe der korrekten COO- und HS-Codes (standardisierte Warennummern) sollte sicherstellen, dass Amazon die Verfügbarkeit der einzelnen Produkte maximieren kann und dass die entsprechenden Einfuhrzölle gezahlt werden können.
- Überprüfen der EORI-Nummern: Es ist wichtig, sich für das EORI-Programm (Economic Operators Registration and Identification) der EU und des Vereinigten Königreichs zu registrieren. Sowohl britische als auch EU-Verkäufer, die Sendungen auf beiden Seiten der Grenze verschicken, benötigen eine britische und eine EU-EORI-Nummer. Eine EU-EORI-Nummer reicht weiterhin für alle Länder in der EU aus.
- Entscheiden, wie die Zollerklärung abgewickelt werden soll – selbst vs. durch einen Dritten: Amazon empfiehlt die Einschaltung eines Dritten, z. B. einer Zollagentur, da diese über große Erfahrung in der sich verändernden Welt des internationalen Handels verfügt. Die britische Regierung hat jedoch auch einen Zuschuss für Unternehmen angekündigt, die die Zollanmeldung selbst vornehmen.
- Ermittlung eines EU-UK-kompatiblen Spediteurs: Einige Spediteure haben ihren grenzüberschreitenden Lieferservice angesichts der geänderten Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU komplett gestoppt oder vorübergehend eingestellt. Daher ist es ratsam, sich zu vergewissern, dass potenzielle Logistikpartner weiterhin grenzüberschreitend tätig sind. Amazon bietet ein eigenes Spediteurprogramm, das EU Inbound Preferred Carrier Program (IPCP), an, in dem Vertriebspartner ihr Interesse anmelden können, wenn sie Schwierigkeiten haben, eine Logistikdienstleistung zu finden.
All diese Punkte bedeuten vermutlich mehr Dokumentation und Zollkontrollen an den Grenzen, da zusätzliche Unterlagen erforderlich sind. Dazu gehören Zollerklärungen, Unterlagen zur Produktkonformität und alle Lizenzen oder Genehmigungen, die für den Verkauf in dem gewünschten Land erforderlich sind. Diese neuen Zollkontrollen nehmen Zeit in Anspruch, was wiederum zu längeren Transportzeiten führen kann, um die Waren von A nach B zu bringen. Dies ist besonders relevant für Händler, die Lebensmittel oder andere verderbliche Waren transportieren.
Unsere Empfehlungen: Wie man mit dem Brexit auf Amazon umgeht

Mit Amazon in Kontakt treten
Auch wenn Amazon für seine schwere Erreichbarkeit berüchtigt ist, ist es wichtig, sich mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen um zu klären, wie sich die Brexit-Veränderungen auf das eigene Business auswirken. Wenn dies nicht möglich ist: Die Informationen, die Amazon zu diesen spezifischen Themen veröffentlicht hat, sind sehr umfangreich und die Services, einschließlich des EU Inbound Preferred Carrier Program, des Responsible Person Hub und der VAT Services on Amazon, sind umfassende Angebote. Ihre Nutzung sollte ernsthaft in Betracht gezogen werden.
Up to date bleiben
Während die E-Commerce-Plattformen ihr Bestes tun, um den Einzelhändlern Informationen zur Verfügung zu stellen, entwickelt sich die Situation ständig weiter. In einem neuen und noch nie dagewesenen Handelsumfeld, wie es durch den Brexit entstanden ist, müssen Best Practices erst noch geschaffen, ständig überprüft und angepasst werden. Größere Unternehmen, die über eigene Teams für die Einhaltung von Vorschriften und Bestimmungen verfügen, müssen ihre Mitarbeiter*innen weiterbilden, um gut mit den Veränderungen und der anhaltenden Unsicherheit umgehen zu können.
Die Investition in ein E-Commerce-Beratungsunternehmen erwägen
Kleinere Unternehmen, die nicht über die internen Kapazitäten verfügen, um sich auf dem Laufenden zu halten, sollten überlegen, sich externe Unterstützung von einem Beratungsunternehmen zu holen. Viele E-Commerce-Beratungsunternehmen verfügen über Fachwissen bei der Expansion in neue Märkte und bei der Aufrechterhaltung bestehender Lieferketten nach und aus UK nach dem Brexit. Sie bieten meist neben ihren Services und ihrer Expertise Kontakte zu Spediteuren an, die zwischen Großbritannien und der EU liefern.
Eine andere Amazon-Strategie erwägen
Angesichts der zahlreichen Herausforderungen haben wir festgestellt, dass immer mehr Vendoren eine hybride Amazon-Strategie in Betracht ziehen, indem sie einen zusätzlichen Seller-Account eröffnen. Dieser Ansatz kann es Unternehmen ermöglichen, flexibler auf einige Herausforderungen auf dem britischen Markt wie Logistik- und Lagerlösungen zu reagieren. Ein hybrides Setup hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Amazon-Strategie eines Unternehmens: Während es für einige von Vorteil ist, kann es für andere eine Vielzahl neuer Herausforderungen mit sich bringen.
Die eigene Amazon UK-Strategie überdenken
Die vielen zusätzlichen Überlegungen für Unternehmen, die auf Amazon verkaufen, erfordern ein erhebliches Maß an Zeit und finanzieller Investition. Neben den Kosten, die entstehen, um darüber informiert zu bleiben, inwiefern sich die neue Handelslandschaft auf das eigene Unternehmen auswirkt, gibt es auch spezifischere Kosten, wie z. B. die neuen Mehrwertsteueranforderungen von Amazon, zusätzliche Anforderungen an die Produktkonformität und -kennzeichnung sowie Kosten für Logistik und Lagerung, die Unternehmen jetzt berücksichtigen müssen. Letztendlich sollten Unternehmen jetzt die Rentabilität ihrer Geschäfte in Großbritannien und der EU im Lichte dieser Veränderungen neu bewerten.
Der Brexit wird sich weiter auf das Amazon Business auswirken
Dieser Guide kann nur einige der vielen Herausforderungen ansprechen, die der Brexit mit sich bringt. Wir haben die Mehrwertsteuer, die Einhaltung von Produktvorschriften und die Bestandsverwaltung als vorrangige Bereiche für vom Brexit betroffene Unternehmen auf Amazon hervorgehoben – aber es sollte beachtet werden, dass sich diese Situation ständig weiterentwickeln wird. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass ein Großteil der E-Commerce-Welt die Folgen des Brexit noch nicht vollständig realisiert hat. Ein grundlegendes Verständnis und die Einhaltung der neuesten Compliance-Standards ist jedoch die sicherste Methode, um Amazon weiterhin mit minimalen Störungen zu nutzen. Unternehmen können ihre Due-Diligence-Prüfung selbst durchführen, sollten aber auch nicht davor zurückschrecken, sich an spezialisierte Dritte zu wenden, die sie zur besten Vorgehensweise beraten können.
Remazing ist eine Full-Service Amazon-Agentur mit einem breiten Spektrum an Kontakten und Expertise. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten möchten, kontaktieren Sie uns gerne über unsere Website.
Quellen:
Amazon: “Preparing your Amazon Business for Brexit: A Practical Guide for Selling Partners”
Amazon: “FAQs on UK/EU trade and your Amazon business”
Global E-commerce Experts: “E-commerce hacks to help re-establish your trade 6 months after Brexit!”
Justine Jenkins: “The impact of Brexit on Ecommerce Businesses: All your FAQs, answered”
UK Government: “Exports, sending goods abroad and charging VAT”
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