
Amazon beendet 1P Vendor Partnerschaften mit Distributoren

Für Distributoren, die die 1P-Plattform von Amazon in Europa nutzen, werden große Veränderungen erwartet. Allem Anschein nach versucht Amazon, seine Abhängigkeit von zwischengeschalteten Vertrieben mit Vendor Central-Konten zu reduzieren.
Die offizielle Mitteilung von Amazon
Amazon teilte seine Entscheidung mit den Betroffenen in einer sehr kurzen Nachricht mit, in der keine genauen Gründe genannt wurden. Unternehmenssprecher*innen erläuterten später, dass die Strategie auf zwei Zielen des Unternehmens beruht: der Senkung der internen Kosten und der Gewährleistung wettbewerbsfähiger Preise für die Endkundschaft. In der Originalnachricht von Amazon heißt es:

Der vollständige Kommentar von Amazons PR-Abteilung lautet:

Der offensichtliche Vorteil für Amazon in Bezug auf die Rentabilität liegt auf der Hand. Durch den Wegfall der Zwischenhändler*innen ist es möglich, die Marge der Bestellungen bei den Vendoren zu erhöhen, da es sich um Einkäufe direkt beim herstellenden Unternehmen handelt.
Die Begründung von Amazon
Das Ergebnis dieser Entscheidung ist sehr eindeutig: Distributoren, die ein bestimmtes Produkt nicht exklusiv vertreiben, können es nicht mehr über ihre privilegierte Position als Vendor verkaufen.
Aber woher kommt diese Entscheidung? Amazon leidet von Jahr zu Jahr mehr unter Rentabilitätsproblemen im Retailbereich. Der Fokus auf direkte Partnerschaften mit Markenherstellern kommt da nicht überraschend, Amazon Retail hat sich schon seit einiger Zeit in diese Richtung bewegt.
Die Ergebnisse der letzten Quartale haben diesen Trend beschleunigt und letztendlich zu dem Ultimatum geführt, über das in den letzten Wochen berichtet wurde.
Die Notwendigkeit, die Rentabilität zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Kosten, führte dazu, dass Amazon im Januar etwa 18.000 Arbeitskräfte entlassen hat. Die Führungsspitze des amerikanischen Riesen plante außerdem einen Einstellungsstopp und beendete vorzeitig mehrere Projekte, die sich noch in der Versuchsphase befanden.
Kurz gesagt veranschaulichen all diese Maßnahmen, dass Amazon nach mehr Rentabilität strebt. Denn obwohl der Umsatz des stetig wächst, liegt er unter den internen Schätzungen des Unternehmens.
Gibt es aus der Sicht von Remazing dennoch Hoffnung für 1P-Distributoren?
Besteht bereits eine exklusive Vereinbarung zu den Markeninhabern, ist es theoretisch weiterhin möglich, auf Amazon über das Vendor Central zu verkaufen. Wenn dies nicht der Fall ist, können Distributoren immer noch eine Exklusivitätsvereinbarung mit den betroffenen Marken für den Verkauf über den Marktplatz aushandeln. Das sind die einzigen Fälle, in denen die Entscheidung nahezu keine Auswirkungen für die beteiligten Parteien haben könnte.
Für den Fall, dass die Exklusivitätsvereinbarung nicht zustande kommt, bleibt dem Zwischenhandel als letzter Ausweg der Wechsel auf die Marktplatzseite von Amazon. Der Beitritt zum Seller Central ermöglicht eine 3P-Zusammenarbeit auf dem Marktplatz. Als Seller auf Amazon zu verkaufen, ist jedoch mit ganz eigenen Herausforderungen verbunden. Mit diesem Thema haben wir uns ausführlich in dem folgenden Artikel Vendor vs. Seller befasst. In diesem speziellen Szenario ist es aus zwei Gründen möglicherweise keine geeignete Lösung:
- Sperrige Produkte und/oder solche mit niedrigem Preis laufen Gefahr, unrentabel zu sein, wenn sie von Amazon Sellern verkauft werden und die Logistik von Amazon in Anspruch nehmen.
- Seller sind bei der Gewinnung der BuyBox schlechter gestellt als Vendoren. Dies gilt insbesondere für neue Seller, die keine große Anzahl an positiven Rezensionen aufweisen können.
Diese beiden Aspekte dürften einen erheblichen Einfluss auf den Umsatz haben, den ein ehemaliger 1P-Verkäufer auf Amazon erzielen kann. Der erste Punkt birgt die Gefahr, Sellern dazu zu verleiten, sich ausschließlich auf Multipacks und/oder Nischenprodukte zu konzentrieren und daher eine kleinere Zielgruppe anzusprechen. Der zweite Punkt hingegen bremst zumindest kurzfristig den Umsatz, wobei mittel- bis langfristig eine Verbesserung zu erwarten ist.

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Ein Blick auf die aktuelle Situation von Vendor-Marken/ Markenanbietern
Die Beziehungen zwischen Markenherstellern und Amazon waren bereits während der letzten Monate recht angespannt. Die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen mit Amazon werden immer strenger. So sehen sich Marken häufig mit vertraglichen Forderungen konfrontiert, die auf Dauer wirtschaftlich nicht tragbar sind. Wenn sie diese Bedingungen ablehnen, besteht jedoch die Gefahr, dass Produkte wegen Unrentabilität aus dem Sortiment genommen werden und die Verfügbarkeit für die Endverbraucher*innen erschwert wird.
Die Auswirkungen von Amazons Entscheidung auf die Verhandlungen zwischen Marken und Amazon Vendor Manager*innen
Die ersten Erfolge auf Amazon haben viele Marken über die Jahre dazu verleitet, die jährlichen Verhandlungen mit Amazon zu unterschätzen. Zu viele Zugeständnisse und zu wenige Forderungen haben dazu geführt, dass die Margen Jahr für Jahr sinken.
Angesichts der jüngsten Rentabilitätskrise versucht Amazon, seine Kosten zu senken. Der Verhandlungsspielraum ist dabei für Markenanbieter wesentlich kleiner geworden. Amazon ist sich der Bedeutung bewusst, die es auf den E-Commerce-Umsatz der Marken ausübt; durch die Stornierung von Bestellungen oder die Änderung von Bestellmengen und -häufigkeit kann der Konzern die Verhandlungen mit den Vendoren stark beeinflussen.
In diesem Zusammenhang wird es für einige Marken sicherlich von Vorteil sein, wenn die Beziehungen zwischen Amazon und 1P-Distributionen gekappt werden. Insbesondere solche, die mit Konsumgütern (CPG) und FMCG handeln können von einer stärkeren Angleichung der Verbraucherpreise über alle Kanäle hinweg profitieren. Für Produkte aus niedrigeren Preisklassen, die für 3P-Verkaufende oft unrentabel sind, wird dieser Effekt noch deutlicher zu sehen sein. Gleichzeitig kann dieser Schritt jedoch für viele Marken zu Verlusten führen (in Bezug auf Umsatz, Sichtbarkeit und Marktrelevanz), wenn es während der Verhandlungen zu Auftragsänderungen oder Stornierungen kommt. Derzeit wird das Produkt in solchen kritischen Situationen immer noch von Distributoren verkauft. Mit dieser Änderung könnte es jedoch bei Nichtverfügbarkeit auf dem Marktplatz einfach als “nicht verfügbar” gelistet werden.
Schutz der Hersteller oder mehr Verhandlungsmacht?
Amazons Entscheidung scheint nicht aus einer romantisierten Vorstellung zu resultieren, Marken stärker zu schützen und die Qualität von 1P-Partnerschaften zu verbessern. Vielmehr scheint es eine durchdachte Strategie zu sein, die es der Plattform ermöglicht, mehr Verhandlungsmacht zu erlangen. Darüber hinaus wird Amazon auch in Bezug auf die Preisüberwachung und das Sortimentsmanagement profitieren. Die 1P-Marken, die am wenigsten darunter leiden, sind solche, die sich als hilfreiche Treiber von Traffic und Gewinnen für Amazon erweisen.
Die Alternative: Das Hybrid-Modell
Was können 1P-Vendor-Marken tun, um die Vorteile zu nutzen, die sich aus der Reduzierung von 1P-Distributoren ergeben, und dabei gleichzeitig vermeiden, dass Amazon zu viel Verhandlungsmacht über sie erlangt? Wir haben zwei Tipps:
- Stabilisieren Sie die Rentabilität und den Umsatz des Vertriebskanals, indem Sie exklusive Produkte listen und/oder Bundles entwickeln.
- Schlagen Sie gleichzeitig alternative Wege ein, indem Sie neben dem Vendor Account einen Amazon Seller Account einrichten.
Der Aufbau von exklusiven Produktlistungen erfordert ein hohes Maß an Aufwand und allgemeine unternehmensweite Koordination. Außerdem ist es aufgrund von Produktionsbeschränkungen nicht immer möglich. Unternehmen, die sich diese Strategie nicht leisten können, können sich daher entscheiden, ein Konto in Amazons Seller Central einzurichten. Das Verwenden eines Hybridmodells ist in der Theorie ein Schritt, den E-Commerce-Abteilungen einer Marke im Vendo-Modell unabhängiger umsetzen können.
Unternehmen, die über das 3P-Modell verkaufen, sind in letzter Zeit für Amazon profitabler geworden und haben den Einzelhandel in Bezug auf die erzielten Einnahmen überholt. Amazon hat diese Neugewichtung unterstützt, indem es den Verkäufern immer mehr Tools zur Optimierung von Inhalten, Grafiken und Markenschutz zur Verfügung gestellt hat. Außerdem sind bestimmte Arten von Berichten und Einblicken ausschließlich im Seller Central zugänglich und können nicht im Vendor Central aktiviert werden. Zudem stehen Sellern und Vendoren auf Amazon die gleichen Werbefunktionen zur Verfügung.
Seller Accounts bei Amazon: Grenzen und Möglichkeiten
Wie zu erwarten, hat das Seller Modell jedoch einige Einschränkungen:
- Andere Kostenstruktur. Es gibt keinen Jahresvertrag, sondern ein prozentuales Kostensystem für jeden Verkauf. Dieses System macht es unrentabel, Einzelpackungen von Produkten mit niedrigem bis mittlerem Preis (z. B. verpackte Konsumgüter) zu verkaufen, vor allem, wenn es sich um große Mengen handelt (z. B. eine 500-g-Packung Nudeln). Diese Prozentsätze bleiben auch unabhängig von der Höhe des vom Seller erzielten Umsatzes gleich.
- Geringeres Maß an Autorität. 1P-Partner zu sein bedeutet, dass die eigenen Produkte von Amazon verkauft und versandt werden. Es kann dauern, bis sich das Verkäuferkonto in den Augen der Nutzer*innen einen vertrauenswürdigen Ruf erarbeitet, Sichtbarkeit in den Suchergebnissen erlangt und mehr BuyBox-Gewinne erzielt.
Der Seller Account kann jedoch, wenn er richtig entwickelt wird, ein großartiger Verbündeter bei der Generierung von Einnahmen auf Amazon sein – insbesondere in schwierigen Online-Handelszeiten. Für eine CPG-Marke könnte ein Seller Account eine gute Möglichkeit bieten, Multipacks, Bundles und Premiumlinien zu vorteilhafteren Bedingungen zu verkaufen, als sie Unternehmen, die diese auf anderen Wegen auf Amazon verkaufen möchten, vorfinden würden.
Unternehmen, für die dieser Weg in Frage kommt, empfehlen wir, rechtzeitig aber mit Bedacht zu handeln. Die Komplexität eines Hybrid-Modells sollte nicht unterschätzt werden.
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