Analyse: Amazons Übernahme von One Medical

Auf dem Weg zum “Everything Store”

Nach dem Kauf des Gesundheits-Startups PillPack im Jahr 2018 hat Amazon einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht in seinem Versuch, buchstäblich alles auf seiner Plattform anzubieten. Den Online-Kauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten zu ermöglichen, ist ein komplexes Unterfangen, aber gleichzeitig verfügt Amazon über alle notwendigen Ressourcen, um diese Produktgruppe so zu vermarkten, zu verkaufen und zu versenden, dass die Erfahrung der Nutzer*innen reibungslos, sicher und zuverlässig ist.

Der Lock-in-Effekt der Nutzung von Amazon für die Bestellung fast aller Produkte, die man im täglichen Leben benötigt, wird immer größer – zumal gesundheitsbezogene Produkte ein hohes Maß an Vertrauen der Verbraucher*innen erfordern. Die Erweiterung der pharmazeutischen Produkte und die damit verwandten Dienstleistungen wie Telekonsultationen mit Ärzt*innen und die einfache Buchung von Terminen in den unternehmenseigenen Praxen stärkt die jeweiligen Angebote.

Nutzung von KI und Cloud-Technologie

Mit der Übernahme nutzt Amazon auch seine Cloud- und KI-Fähigkeiten noch einmal deutlich progressiver. One Medical hat sich seit seiner Gründung als zukunftsorientierter, moderner Gesundheitsdienstleister etabliert – digitale Technologien optimieren die angebotenen Dienstleistungen nicht nur innerhalb der eigenen Online-Plattform und App, sondern auch in den 188 eigenen ärztlichen Praxen in den USA.

Durch das Hinzufügen der umfangreichen technischen Kompetenzen und IT-Infrastruktur von Amazon entsteht eine noch stärkere Plattform, die die Verbesserung der Behandlung von Patient*innen ermöglicht. Dank der gesammelten Daten können Trends im Gesundheitssektor erkannt sowie Vorhersagen über Krankheiten und notwendige Behandlungen getroffen werden – etwas, woran Amazon schon seit geraumer Zeit arbeitet, wie auch die jüngste Ankündigung der Partnerschaft des Unternehmens mit dem Fred Hutchinson Cancer Research Center zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Krebs zeigt.

Abonnements sind ein gutes Geschäft

Das Prime-Programm von Amazon hat sich im Laufe der Jahre zu einer kontinuierlichen und profitablen Einnahmequelle entwickelt. Neben schnelleren Lieferoptionen hat vor allem das Entertainment-Angebot um die eigene Videostreaming-Plattform das Programm für Mitglieder noch attraktiver gemacht. Durch die Übernahme von One Medical erhält Amazon direkten Zugang zu einem weiteren etablierten Abo-Modell – und das in einem Markt, den es seit mehreren Jahren zunehmend ins Visier nimmt. Die Plattform von One Medical bietet ihren Mitgliedern über die eigene Telemedizin-App rund um die Uhr Zugang zu virtuellen Pflege- und Gesundheitsangeboten. Dies eröffnet Amazon die Möglichkeit, verschiedene Dienstleistungen im Abo-Paket anzubieten und langfristig “Prime for Health” zu etablieren.

Fazit

Die Übernahme von One Medical für 3,9 Mrd. US-Dollar ist eine strategisch sinnvolle Investition, die Amazons Streben nach höherer Rentabilität unter CEO Andy Jassy unterstreicht. Dieser hat bereits in der Vergangenheit mit der Skalierung von Amazon Web Services (AWS) bewiesen, wie man eine “Cash Cow” aufbaut – und im Gesundheitswesen sind die Margen sogar höher als im E-Commerce. Mit der Übernahme des bestehenden Stamms an Kund*innen und der bewährten technologiegestützten Plattform von One Medical wird sich Amazon noch schneller als vertrauenswürdiger Anbieter im Gesundheitswesen etablieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Amazon viele seiner Bestandskund*innen auch zu Abonnent*innen für seine gesundheitsbezogenen Dienstleistungen und Produkte gemacht haben wird.